Meinung Schülerzeitung REALnews

Friede, Freiheit, keine Kleidungsvorschrift – Ein Hoch auf die Individualität

Ein Kommentar von Pierre Schäfer

Hat unsere Kleiderordnung ein Problem? Mit dieser Frage werde ich mich im Folgenden befassen. Doch wovon sprechen wir eigentlich? “Die Kleidung in der Schule muss dem Schulbesuch angemessen sein (das heißt z. B.: Schultern und Bauch sollen bedeckt und die Beinbekleidung nicht zu kurz sein) und darf nicht als anstößig empfunden werden. Insbesondere ist das Tragen von Kleidungsstücken mit rassistischen, diskriminierenden, beleidigenden oder gewaltverherrlichenden Aufdrucken oder Symbolen untersagt.”

So heißt es in unserer Schulordnung über die Bekleidung der Lehrer, Schülerinnen und Schüler. Hier stößt man meiner Meinung nach auf das erste Problem. Eine wirkliche Kleiderordnung ist nicht existent. Sie wird lediglich im oben genannten Textabschnitt festgelegt und um eine Erwähnung, dass Kopfbedeckungen im Schulhaus abzunehmen sind, ergänzt. Da Kleidung ein prominentes Thema in der Gesellschaft einnimmt, würde ich eine Ausführung der Regeln für angemessen halten, da eine überzeugende Argumentation für mehr Verständnis bei den Schülern sorgen würde. Während das Verbot von gesetzeswidrigen Aufschriften auf den ersten Blick einleuchtet und richtigerweise durchgesetzt wird, ist die Begrenzung von Freizügigkeit seit jeher ein umstrittenes Thema. Gerade in den siebten bis zehnten Klassen ist dies hoch im Kurs. Die Pubertät setzt ein und Grenzen werden ausgetestet. Bei Schülerinnen äußert sich das meist mit dem Anziehen von körperbetonter Kleidung wie Tops und Röcken, die – da sie Schultern und Bauch nicht verdecken – eigentlich gegen die Schulordnung verstoßen. Doch eine konsequente Durchsetzung sehe ich hier nach meiner Beobachtung nicht wirklich. Dabei gibt es auch für ein Verbot solcher Kleidung gute Gründe.

Zwar ist ein Maß an Freizügigkeit vor allem in den warmen Monaten begründet und über die Jahrzehnte auch vor allem durch die Medien normalisiert worden, doch der Schulbesuch wird immer ein offizieller Akt sein, dem ein angemessener und nicht anstößiger Kleidungsstil beiwohnt. Ähnlich wie ein Amts- oder Arztbesuch. Außerdem wurden mir von Lehrer*innen Seite mehrmals berichtet, dass ein freizügiger Kleidungsstil, in dem Falle ein tieferer Ausschnitt, auch ein Gefahrenpotenzial birgt. So laufen männliche Lehrer Gefahr, sich bei einem versehentlichen Blick, dem Vorwurf einer sexuellen Belästigung auszusetzen. Das klingt für mich plausibel und sorgt auch dafür, dass ich einige Lehrkräfte nun besser verstehen kann. Davon abgesehen halte ich sonstige Erklärungsversuche, welche von vielen Lehrer*innen angeführt werden, die nahe legen, dass auch nur ein Hauch von Haut die Herren der Schöpfung derart ablenken könnte, um nicht mehr am Unterricht teilnehmen zu können für primitiv und beiderseitig anmaßend. Wer den Respekt lehrt und sich auf Sitten beruft, sollte dies auch in seinem Umgang zeigen. Auch deswegen wird das Verbot missachtet und die Verstoßquote nimmt gemeinsam mit dem Anstieg der Temperaturen lächerlich hohe Ausmaße an. Man stelle sich vor, die Schulordnung würde dort so hart durchgesetzt werden wie beim Werfen eines Schneeballs oder im Falle des Tragens von Kopfbedeckungen im Schulhaus.

Womit wir beim nächsten Punkt sind. Hierbei habe ich eigene Erfahrung machen dürfen. In meinem nun fünf Jahre langem Besuch dieser Schule wurde ich geschätzte 100-mal ermahnt, meine Kappe im Schulhaus abzunehmen, wobei ich jedes Mal die gleiche Frage stelle und die gleiche Antwort erhalte: „Warum? Steht in der Schulordnung!“ Dabei kann und konnte ich nicht sehen, was ich falsch mache. Ich trage Kopfbedeckungen nicht im Unterricht, da mir bekannt ist, dass dies als unhöflich empfunden werden kann, ähnlich wie man sie beim Essen abnimmt. Doch warum im Schulhaus? Ich begab mich also auf die Suche nach dem Ursprung des Ganzen. Gelandet bin ich in der Kirche. So zog man früher und teilweise auch heute noch seinen Hut vor Gott. Daraus entwickelte sich eine Grußgeste, bei der Männer ihren Hut voneinander zogen. Auch die Ritter benutzen eine solche Geste. All dies war ein Zeichen von Respekt. Doch ich finde die Umgangsformen von Menschen sind so komplex, dass sie nicht mehr daran gemessen werden müssen, eine Kopfbedeckung aufzuziehen oder abzunehmen. Meinen Respekt zeige ich in meinen Verhalten und Auftreten und nicht mit einer solch veralteten Geste. Dennoch wird ein Verstoß hier häufiger geahndet. Und dies deutet meiner Meinung nach auf eine ungerechte Behandlung hin, die wohl kaum erstrebenswert ist.

Doch wie lässt sich die Situation verbessern? Ich denke, es ist klar geworden, dass sich an unserer Kleiderordnung etwas ändern sollte. Angefangen dabei, dass eine einheitliche Kleiderordnung unabhängig von der Schulordnung verfasst wird und diese auch die Hintergründe deutlich macht. Außerdem würde ich es befürworten, wenn man der aktuellen Ansicht eine gegenwärtige Prüfung unterzieht. Dabei sollte das Kappen-Gebot gelockert werden und Gleichheit vor der Schulleitung gewährleistet sein. Insgesamt könnte damit ein frischer und freier Weg eingeschlagen werden, bei dem wir Schüler uns frei in unserem persönlichen Kleidungsstil entwickeln können.